Kommunale Wohnungspolitik: Balanceakt zwischen sozialem Inklusivitätsanspruch und notwendiger Zielgruppenorientierung
Planerladen e.V. war als Experte auf der Fachtagung „Die Rückkehr der Wohnungsfrage – Ansätze und Herausforderungen lokaler Politik“ der Schader Stiftung in Darmstadt gefragt. Tülin Kabis-Staubach und Prof. Dr. Reiner Staubach (Vorstandsmitglieder des Planerladen e.V.) haben in der Podiumsrunde „Wohnen und Vielfalt: Integrativ, inklusiv oder zielgruppengerecht?“ von den Erfahrungen aus den verschiedenen Projekten des Planerladen e.V. wie folgt berichtet.
Während sich im Hinblick auf Geflüchtete auch in Dortmund überaus erfreuliche Ansätze einer lokalen „Willkommenskultur“ entwickelt haben, für die im Bereich der Wohnraumversorgung ganz selbstverständlich zusätzliche zielgerichtete Angebote entwickelt werden, sehen sich Neuzugewanderte aus Bulgarien und Rumänien mit massiven Abwehrreaktionen konfrontiert. Nicht selten müssen sie deshalb in heruntergekommenen Problemhäusern Zuflucht suchen, mit der Folge einer sozial-räumlichen Konzentration in den benachteiligten Quartieren (v.a. der Nordstadt). Vor allem die in der Wahrnehmung durch die relevanten wohnungspolitischen Akteure den Roma zugeschriebenen Haushalte haben erhebliche Zugangsprobleme, da sie oft nicht nur auf stereotype Vorurteilsstrukturen stoßen, sondern mit signifikanten Ungleichbehandlungen zu kämpfen haben, die mitunter in die Nähe rassistischer Diskriminierung rücken. Im lokalen politischen Diskurs, der alarmistisch über die mediale Darstellung noch zusätzlich überhöht wurde, wurden sie statt als Opfer von Ausbeutungsmechanismen (durch Schleuser, Vermittler von Schwarzarbeit oder Matratzenlagern, Zuhälter etc.) sogar zumeist als Verursacher für die in der Nordstadt feststellbaren Erscheinungsformen von Desinvestition und Verwahrlosung bezeichnet, anstatt deren nicht nur prekäre, sondern menschenunwürdige Wohnsituationen anzuprangern.
In der von der Stadt Dortmund entwickelten „integrierten Wohnungszugangsstrategie“ wird im Sinne eines generellen Anspruchs auf soziale Inklusivität in der Wohnungsversorgung benachteiligter Gruppen argumentiert, dass Neuzugewanderte nur eine Bedarfsgruppe unter vielen seien, die auf keinen Fall eine „Sonderbehandlung“ erfahren dürften. Um vermeintlich stigmatisierende Wirkungen zu vermeiden, sollen sie im Rahmen der normalen Versorgungsanstrengungen der Kommune bedacht werden. Im Ergebnis werden sich so für EU-Neuzugewanderte – darunter insbesondere Roma – allerdings auch zukünftig kaum Zugänge zum Wohnungsmarkt jenseits prekärer Unterbringungssituationen eröffnen. Die zweifelsohne vorhandenen Barrieren zur Vermietung von Normalwohnraum an Haushalte, die von den Wohnungsmarktanbietern dieser Gruppe zugeschrieben werden, können nur aufgebrochen werden, wenn Projekte gelingender Integration im Wohnbereich auch hier Verbreitung finden. Insbesondere Berliner Beispiele wie die integrierte Erneuerung von ehemaligen „Problembeständen“ in Neukölln oder Reinickendorf belegen eindeutig: „Das Problem sind nicht die Nutzer/innen sondern die (un)sozialen Verhältnisse“!
Die Schader Stiftung hatte zu dem Schader-Forum „Die Rückkehr der Wohnungsfrage – Ansätze und Herausforderungen lokaler Politik“ am 19./20. Juni eingeladen. Die Wohnungsfrage ist auf die politische Agenda zurückgekehrt. Den damit verbundenen Herausforderungen für die Städte sowie den vielfältigen Ansätzen lokaler Politik und deren Bewältigung war diese Fachtagung gewidmet, an der über 150 Praktiker_innen aus Stadtentwicklung, lokaler Politik, Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, Sozialwesen und Forschung teilgenommen haben.
Downloadmöglichkeit des Tagungsreaders "Die Rückkehr der Wohnungsfrage" auf der Seite der Schader Stiftung -> hier.