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9. März 2012

Lachen, das zum Nachdenken anregt – Kabarett mit Muhsin Omurca

Mit Humor und Satire werden „heiße gesellschaftliche Themen“ unbestraft karikiert. Kabarettisten dürfen dies, sie kommen sogar ungestraft davon, ja die Gäste lachen noch darüber. So einer ist der Kabarettist Muhsin Omurca, der seit 27 Jahren auf vielen Bühnen in vielen Städten Deutschlands und anderer Länder aufgetreten ist. Mit seinem Soloprogramm „Tagebuch eines Skinheads in Istanbul - Die ultimative Antwort auf Sarrazynismus“ thematisiert er die Vorurteile unter den Deutschen und Türken sowie das gesellschaftliche Zusammenleben in Deutschland.

Mit diesem Stück ist der Kabarettist am 29.02. nach Dortmund eingeladen worden. 220 Gäste sind ins Theater im Depot gekommen – ausverkauft. Die Kabarettveranstaltung war eine Kooperationsveranstaltung  der Alevitischen Gemeinde NRW, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Auslandsgesellschaft NRW, der DGB-Jugend und des Planerladen e.V. Junge und alte Gäste sind gekommen, um zu lauschen, wie das Thema Rechtsradikalismus vom Kabarettisten aufgegriffen wird.

Ein Nazi in Istanbul – kann das gutgehen?

Muhsin Omurca ist auch ein Karikaturist. Während seines Soloprogrammes werden mehrere Karikaturen auf eine Leinwand projiziert, die vom Trip nach Istanbul erzählen, zu dem der Rechtsradikale Hansi vom Richter für vier Wochen  verdonnert wird, weil er ein ganzes Stadtviertel in Brand gesetzt hat. Begleitet wird dieser von Dr. Bodo Kraus, dem „Türkenflüsterer“ so Omurca. In Istanbul stößt dann auch „Simultan Ali“ hinzu.

Ein Nazi in Istanbul – kann das gutgehen? Hansi berichtet unverblümt von seinen Erlebnissen in Istanbul, vom Besuch eines Basars, den er mit einem Teppich unter dem Arm verlässt; der Obdachlose, der hinter ihm her trottet und ihn übers Ohr haut oder über den Moscheebesuch, als er nach dem Gebet bemerkt, dass seine Springerstiefel gestibizt worden sind. Man stelle sich mal vor, ein Mullah in Springerstiefeln.

Dr. Bodo Kraus, ein Alt-68er, mutiert während des Stücks zum Rechtsradikalen, der als „Türkenfreund“ irgendwann resigniert, weil seine Liebe zu den Türken eine unerwiderte bleibt. Er klagt darüber, dass seine Hilfe, seine Ratschläge nicht angenommen werden. Seine übertriebene Liebe bringt ihn ins türkische Gefängnis und schlägt um in Hass gegenüber seinen einstigen Schützlingen.  Dr. Bodo Kraus macht quasi eine „rechte“ Metamorphose durch. Seinen Hass kanalisiert er durch das Schreiben eines Buches mit dem Titel „Türkentsunami“.  

Während der „Türkenflüsterer“ zum „Türkenhasser“ wird, bleibt der unverbesserliche Hansi seinen Vorurteilen treu. Nichts ist schöner, wenn nach einem Fußballspiel Türken und Kurden aufeinander losstürmen, sich prügeln, und er sich mit ins Getümmel stürzt. Der Umerziehungstrip nach Istanbul schlägt bei ihm fehl. 

Muhsin Omurca hat seine eigene Art des Humors

Eigentlich müsste das Stück „Tagebuch eines rechten Skinheads in Istanbul“ heißen, denn die Skinheadbewegung hat ihren Ursprung in der (linken) britischen Jugend. Dennoch, die Konfrontation der Gegensätze ist seine Spezialität. Muhsin Omurca gehört zu den ersten deutsch-türkischen Kabarettisten. So gründeten Sinasi Dikmen und er 1985 das erste Deutsch-Türkische Kabarett „Knobi-Bonbon“. Der deutsche Kabarett-Prophet Dieter Hildebrandt kam zur Premiere und nahm ihn dann gleich mit auf seine Tournee. Das war mehr als eine Starthilfe. „Der Wanderlachs“, wie er sich selber bezeichnet, hat jährlich 70 bis 80 Auftritte in Ländern wie Deutschland, Österreich, Finnland, Türkei, Kanada.

Muhsin Omurca hat seinen Spaß, wenn er diese beiden Protagonisten durch den Kakao zieht, verschont aber nicht die Türken und die dortige politische Situation. Wenn er durch Hansi sagen lässt „Hätte ich doch nur die Dörfer in Anatolien in Brand gesetzt, das hätte vielleicht das türkische Militär gefreut“, dann bleibt das Lachen im Halse stecken. Muhsin Omurcas Stück ist nicht nur politisch, sondern hat auch jede Menge Szenen, die sozusagen unter der Gürtellinie sind.  Er hat seine eigene Art des Humors, die Gäste für sich zu gewinnen. Nicht jedermanns Geschmack – doch das Publikum dankt ihm zum Schluss mit einem lauten Applaus.

Jugendliche des Jugendforum Nordstadt waren auch unter den Zuschauern

Die knapp 15 Jugendlichen konnten beobachten, wie es einem deutschen Neonazi ergeht, der für eine Umerziehung nach Istanbul geschickt wird. Der Kabarett-Besuch stellt den ersten Schritt dar, mit Jugendlichen regelmäßig politische kulturelle Veranstaltungen zu besuchen und ihnen so kulturelle Veranstaltungen nahe zu bringen.