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28. Oktober 2011

Zensur in der Nordstadt? Planerladen erhält Maulkorb! Beschluss der Bezirksvertretung Innenstadt-Nord provoziert rechtsfreien Raum und erklärt die Nordstadt zur demokratiefreien Zone.

Mit der im Mai 2011 gestarteten Aktion "Blickwechsel" macht der Planerladen e.V. als Servicestelle für Antidiskriminierung darauf aufmerksam, dass bei der Diskussion über die Problematik der Prostitution, der Schwarzarbeit und der sog. Problemhäuser die eigentlichen Verursacher und Profiteure in den Blick genommen werden sollten. Ein Beispiel dafür stellt etwa die Misswirtschaft bei der Feldhoffstiftung als der ehemaligen Eigentümerin einiger dieser Immobilien dar. Seit Beginn der Aktion freut sich der Planerladen e.V. über die vielfältig positive Resonanz seitens verschiedener Institutionen und Personen aus der Nordstadt und darüber hinaus.

Bei der Beantragung der Verlängerung dieser Aktion im öffentlichen Raum teilte die Verwaltung nun mit, dass die Bezirksvertretung Innenstadt-Nord auf ihrer Sitzung am 28.09.11 mehrheitlich beschlossen habe, die an der Mallinckrodtstraße aufgehängten 7 Banner entfernen zu lassen. Im Antrag der CDU, der mit Stimmen der SPD sowie bei Enthaltung von Bündnis90/DIE GRÜNEN beschlossen wurde, wird dies damit begründet, dass sich einige Anwohner als Rassisten bezeichnet sähen, weil sie sich für die Verdrängung von Straßenprostitution und deren Begleiterscheinungen eingesetzt hätten. Nur zur Klarstellung dieser Absurdität: Der Planerladen e.V. hat bereits 2001 bei der Diskussion um die Einrichtung eines Straßenstrichs in der Ravensburger Straße und somit der Aufweichung des Sperrbezirks die Position vertreten, dass Prostitution in unmittelbarer Nähe eines Wohngebietes nichts verloren hat.

Tatsächlich hatte schon direkt nach der Anbringung der Banner der Bezirksbürgermeister die Verwaltung dazu aufgefordert, die erteilte Genehmigung zurückzunehmen. Der Vorstand des Planerladen e.V. hatte daraufhin aber auf die bereits erteilte Sondernutzungserlaubnis für den öffentlichen Raum verwiesen, nachdem die verwaltungsseitige fachlich-sachliche Prüfung keine Probleme ergeben hatte im Hinblick auf die verkehrsaufsichtsrechtliche Unbedenklichkeit oder eine etwaige Störung des Straßenbildes. Auch sind mit der Aktion keinerlei parteipolitische Inhalte verbunden. Es werden vielmehr unmissverständlich die Spekulanten bzw. Vermieter der Matratzenlager in den Ekelhäusern, die von Schwarzarbeit profitierenden Firmen sowie die Freier und Zuhälter angegangen. Zugleich werden universelle Menschenrechte und verfassungsrechtliche Grundrechte eingefordert, die nicht nur völlig zweifelsfrei vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung garantiert werden, sondern auch weit entfernt sind vom Tatbestand der Beleidigung oder der üblen Nachrede.

Dass die Bezirksvertretung Innenstadt-Nord sich mehrheitlich dazu entschieden hat, Rücksichtnahme auf jene Leute zu nehmen, die sich von den textlichen Inhalten der Banner aus für uns unerfindlichen Gründen persönlich beleidigt sehen, löst beim Planerladen in mehrfacher Hinsicht Verwunderung aus und wirft zugleich Fragen auf: Wer könnte sich von den Aussagen der Banner gestört fühlen? Stellt sich etwa die Mehrheit der Bezirksvertretung Innenstadt-Nord mit ihrem Beschluss nun vor die Verursacher und Profiteure?
Welchem Demokratieverständnis wird übrigens gefolgt, indem das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung beschnitten wird? …

Der Auftrag an die Verwaltung jedenfalls, unter der Überschrift "Zur Aufwertung der Nordstadt" die Banner aus der Mallinckrodtstraße sofort zu entfernen, ist nicht nur eine unzulässige Kompetenzüberschreitung der BV, sondern gerät zudem unversehens zur politischen Zensur. Wohlgemerkt: Die Dortmunder Verwaltung, die den Antrag zur Erteilung einer Erlaubnis zur Sondernutzung des öffentlichen Raums fachlich-sachlich geprüft und für genehmigungsfähig befunden hat, wird von der Bezirksvertretung Innenstadt-Nord dazu beauftragt, ohne eine Veränderung der Sachlage anders zu entscheiden, nur weil es für manche politisch nicht opportun erscheint. Gleichwohl sich die Beurteilungsgrundlage für den klar geregelten Verwaltungsakt also nicht geändert hat, wird die Verwaltung gewissermaßen dazu genötigt, gegen den Grundsatz der Selbstbindung und der Gleichbehandlung zu verstoßen und damit willkürlich zu handeln. Ob die Verwaltung einer solchen Richtungsvorgabe überhaupt folgen und auf dieser Grundlage eine Sondernutzungserlaubnis verweigern darf, erscheint nicht nur fragwürdig, sondern wird auch den Oberbürgermeister als obersten Dienstvorgesetzten interessieren müssen. Fortsetzung folgt!