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23. Mai 2011

Abgesang auf die Nordstadt! Nachlese zur Bürgerinformationsveranstaltung zum Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB)

Am 12.5.2011 lud die Bezirksvertretung Innenstadt Nord die Bürgerinnen und Bürger zur Aussprache über die Aufstellung des Bebauungsplans InN232 (Verlegung des ZOB in die Nordstadt). Die Anstrengungen des Planerladen e.V., die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren, wurden zwar von der Presse honoriert, die angespro­chenen Anwohner und Eigentümer blieben der Veranstaltung aber weitestgehend fern. Bedauerlich, weil ihnen damit ein Lehrstück in Sachen Politik entging, wie man es nur selten so prägnant auf den Punkt gebracht erlebt.

Entwurf des Bebauungsplans InN232

Die Offenheit des Planungsamtsleiters Ludger Wilde wird in den Ohren mancher der anwesenden Nordstädter fast zynisch geklungen haben. Er stellte unmissverständlich klar, dass die Bewohner der angrenzenden Wohnquartiere auch in den nächsten 8 bis 10 Jahren am nördlichen Bahnhofsvorplatz mit einer Baustellensituation (Umbau von Bahnhof und Stadtbahnstation) werden leben müssen. Das bereits langjährige Provisorium eines gestalt- und gesichtslosen Platzes, der zur Hälfte als Baustofflager genutzt wird, soll also auch zukünftig anhalten. Aber das ist nicht alles. Hinzu kommen noch die zusätzlichen Belastungen für Anwohner und Umwelt, die durch die Verlagerung des ZOB auf die Nordseite ausgelöst werden. Herr Wilde konnte und wollte den Anwesenden in dieser Hinsicht keine Hoffnung für die Nordstadt machen.

Was die Festlegung auf planerische Qualitätsziele durch vorangegangene politische Beschlüsse und strategische Konzepte zur Nordstadtentwickung angeht (z.B. Integriertes Stadtbezirksentwicklungskonzept), so drückte sich der Planungsamtsleiter ganz eindeutig aus: Diese sind vorerst außer Kraft gesetzt, bloße Makulatur. Von dem radial-konzentrischen Freisystem etwa und dessen nach Norden weisende Grünachse, die wichtig für die Frischluftzufuhr und –produktion in diesem extremen Stadtklima (Hitzestau) ist und direkt am Nordausgang des Bahnhofs ihren Anfang nehmen soll, sollten wir uns vorläu­fig verabschieden, so der ausdrückliche Hinweis von Wilde. In einem späteren städtebaulichen Qualifizierungsverfahren für das Bahnhofsumfeld könne man solche Ideen dann gerne wieder hervorholen. Außerdem: der ZOB sei ja nur ein Provisorium.

Die städtischen Planer führten die Standortvorgaben des DFB im Wettbewerbsverfahren um das Nationale DFB-Museum ins Feld, um den kritischen Nachfragern doch noch plausibel zu machen, warum dieses Symbo­lprojekt mit seiner zu erwartenden überregionalen Ausstrahlungswir­kung nicht als Impulsgeber für die städtebauliche Aufwertung der Nordstadt genutzt und an zentraler Stelle am nördlichen Bahnhofsvorplatz platziert werden konnte. „Das war der einzige Standort, den der DFB akzeptiert hat“. Diese Aussage steht allerdings in einem merkwürdigen Gegensatz dazu, dass die Stadt Gelsenkirchen – als zuletzt im Rennen verbliebene Mitbewerberin – mit einem eindeutig peripheren Standort im Nahbereich der „Arena“ antreten konnte. Dieser Standort – ebenso wie ein Standort im Nahbereich des Signal-Iduna-Parks in Dortmund – hätte ohnehin den Beigeschmack von zu viel Lokalkolorit gehabt. Hier erhärtet sich der Eindruck, dass die städtischen Planer einen anderen Standort als den heutigen ZOB nicht selbstbewusst genug angeboten haben. Oder aber sie waren auf Grund fehlender strategischer Planungsgrundlagen (Integrierte Planung für das gesamte Bahnhofsumfeld) dem DFB – ebenso wie in der Vergangenheit auch der Deutschen Bahn gegenüber – unvorbereitet und damit hilflos ausgeliefert. Inzwischen ist zu hören, dass das Beharren auf den City-Standort für das DFB-Museum vor allem wohl der durchsetzungsmächtigen Lobbyarbeit des City-Rings geschuldet ist. Verlierer sind dabei wieder einmal die Bewohnerinnen und Bewohner der Nordstadt.

Zurück zum Verlauf der Bürgerinformationsveranstaltung: Erstaunliche Zustimmung fanden unsere Einwände, dass die Rahmenplanung (sog. „städte­bauliche Qualifizierung“) des Gesamtbereichs am Bahnhof idealer­weise vor der Standort­bestimmung für den (vorläufigen wie endgül­tigen) ZOB erfolgen sollte. Diese werde aber erst noch kommen, was für das DFB-Museum und den provisorischen ZOB zu spät wäre.

In der Präsentation und den ergänzenden Erläuterungen durch die Herren Wilde und Sagolla wurde mehr als deutlich, dass bei der Suche nach Ersatz­standorten und deren Eignungs­bewertung verkehrsfunktionale Gesichtspunkte weit oben standen. Die Schutzgüter Mensch, Umwelt und Städtebau nahmen hingegen einen erkennbar geringen Stellenwert ein. Bei der Umsetzung der Anforderungen der Luftreinhalteplanung zeigte man sich dann auch sehr großzügig. Es wurden die täglich meist in den frühen Morgen- und späten Abendstunden anfallenden 90 Reisebusse (und 240 PKWs) gegen die Verlagerung einer Buslinie auf die Südseite des Bahnhofs aufgerechnet, eine sehr besondere Planungsarithmetik deren Logik nicht alle folgen wollten und die bei näherer Prüfung ohnehin nicht hält, was sie verspricht. Zugleich kündigte man den Einsatz von „lärmreduzierendem“ Asphalt und „luftreinigendem“ Beton an, so dass die weitere Versiegelung der nördlichen Bahnhofsseite beinahe als wünschenswerte Zukunftsperspektive dargestellt wurde („steinerne Nordstadt“). Ohnehin sei das alles nur eine Interims-Lösung, da man von einer späteren erneuten Verlagerung des ZOB-Standortes auf die Fläche der Expressgutabfertigung ausgehe.

Wie es tatsächlich um die Verfügbarkeit dieser Fläche bestellt ist, die die Vivico Real Estate als „Entwicklungsgrundstück in Zentrumslage“ für hochwertige Büronutzungen längst in ihrem Portfolio hat und entsprechend zu vermarkten versucht, deutete sich bei kritischen Nachfragen bereits an. Diese wäre erstens kaum erschwinglich und zweitens – wegen ihrer Erschließung von der Nordseite her – ebenfalls mit erheblichen Umweltbelastungen für die angrenzenden Wohnquartiere der Nordstadt verbunden. An dieser Stelle verweisen die städtischen Planer dann auf die von vielen Nordstädtern ersehnte Nordspange. Selbst wenn diese denn tatsächlich käme, was angesichts des teilweise notwendigen Grundstücks­erwerbs viel Optimismus voraussetzt, würde deren Entlastungswirkung doch primär für den Straßenzug Brackeler Straße, Borsigstraße und Mallinckrodtstraße gelten.

Seltsam mutete es an, als Herr Wilde und Herr Sagolla bekräftigten, dass es völlig abwegig sei, in absehbarer Zeit die Möglichkeit der Zunahme des Fernbusverkehrs einzukalkulieren. Dabei ist die Ausweitung der innerdeut­schen Fernbusverkehre explizit im Koalitionsvertrag der Bundesregierung verankert. Nach unseren Recherchen plant alleine die Deutsche Touring eine Verdoppelung des Linienbetriebs für Dortmund in den kommenden Jahren, auch ohne die angestrebte Liberalisierung des  innerdeutschen Fernverkehrsmarktes. Hier gilt Dortmund als einer der wichtigsten zentralen Knotenpunkte im Nord-Süd- und Ost-West-Verkehr. Es wäre demnach mehr als blauäugig, nicht schon jetzt die Möglichkeit einer Zunahme über das heutige Belastungsniveau hinaus in den Blick zu nehmen. Auch am effektiven Nutzen eines ZOB in innerstädtischer Lage darf nach Meinung der städtischen Planer nicht grundsätzlich gezweifelt werden, weil jede Großstadt eben einen brauche. Damit wurden zugleich weitere interessante Nachfragen zunichte gemacht, etwa ob man nicht mit zwei separaten Omnibusbahnhöfen (Trennung von Linien- und Gelegen­heits­verkehr) zumindest übergangsweise sogar eine höhere Funktionalität und Verträglichkeit erreichen könne.

Einige Anwesende verbanden mit der angekündigten mindestens 8 bis 10 jährigen Interimslösung am nördlichen Bahnhofsvorplatz auch die Befürch­tung, dass der normale Linien-Busverkehr der DSW21 an der Nordseite noch zusätzlich eingeschränkt werden könnte. Dabei zeigen sich dort heute bereits deutliche Funktionsprobleme. Herr Sagolla ließ solche Argumente allerdings nicht gelten und stützte sich dabei auf seine eigenen empirischen Unter­suchun­gen als Bochumer, der täglich am Hbf von der Bahn in die U-Bahn umsteigen müsse und die Situation deshalb aus eigener Anschauung ausreichend beurteilen könne.

Insgesamt ergeben sich für uns erheblich Zweifel, ob ein beschleunigtes Planungsverfahren ohne vorgezogene Bürgeranhörung und systematische Umwelt­prüfung der Tragweite des vorliegenden Planungsvorhabens tatsächlich angemessen ist. Die Tatsache, dass eher wenige Bürgerinnen und Bürger den Weg zur öffentlichen Informationsveranstaltung gefunden haben, stimmt zunächst nicht besonders hoffnungsfroh. Sie ist aber neben der Art und Weise der Ankündigung vor allem damit erklärbar, dass grundsätzliche Vorent­schei­dungen längst ohne Beteiligung der Stadtteilöffentlichkeit in politischen Gremien oder über direkte bilaterale Absprachen und Verträge erfolgt sind. Enttäuscht hat insbesondere die Abwesenheit zahlreicher Stadt- und Lokalpolitiker. Diese haben die Tragweite der hier vorgenommenen strategischen Weichenstellung für die Entwicklung der Lebensqualität in der Nordstadt offenbar nicht erkannt. Vielleicht wurden die Pläne zur Verlagerung des ZOB auf die Nordseite auch als eine scheinbar unvermeidliche Folge der Vorentscheidung für einen Standort des DFB-Museums am Königswall hingenommen und sind deshalb in den politischen Gremien durchgewunken worden.

Noch besteht die Möglichkeit zur Einbringung von Anregungen und Bedenken. Bereits die mitunter spontanen Einwürfe und Fragen von Bürgerseite im Rahmen der Informations­veranstaltung haben weitere Schwachstellen bei der Berücksichtigung wichtiger Belange offengelegt und damit Hinweise auf mögliche Abwägungsmängel geliefert. Bis zum 2. Juni 2011 besteht die Gelegenheit, Anregungen und Bedenken im Planungsamt mündlich zu Protokoll zu geben, oder diesem schriftlich zur Kenntnis zu bringen. Der digitale Weg ist sogar noch einfacher, wenn man diesen auf der ein wenig verschachtelten Webseite des Planungsamtes denn endlich gefunden hat. Das Angebot für eine digitale Bürgerbeteiligung wäre hier durchaus verbesserungswürdig. Wir machen es Ihnen ganz einfach, indem Sie die Online-Eingabemaske durch bloßes Anklicken des folgenden Links direkt öffnen können:

www2.dortmund.de/do4u_intern/work/mail/index.php

Dortmund, den 23. Mai 2011

Dipl.-Geogr. Martin Eder

Prof. Dr. Reiner Staubach

Planerladen e.V.