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23. November 2010

SVR-Studie zeigt: Weder „Parallelgesellschaften“ noch Abschottung prägen die Wohnsituation von Zuwanderern

Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) hat in seinem Integrationsbarometer zur Einwanderungsgesellschaft 2010 auch den Themenkomplex Wohnen und Quartier beleuchtet, da das Zusammenleben in der Nachbarschaft einen zentralen Integrationsschauplatz darstellt. Aus einer Reihe von Untersuchungen zeigt sich, dass weder „Parallelgesellschaften“ noch Abschottung die Situation prägen.


Ergebnisse aus dem Themenbereich Wohnen und Quartier

  • Aus diversen Studien und Erhebungen geht hervor, dass sich die Wohnsituation von Zuwanderern in den letzten Jahren weitgehend angeglichen hat, sie aber vergleichsweise immer noch über weniger Eigentum verfügen, was einerseits mit dem niedrigeren sozioökonomischen Status sowie mit der Tatsache zusammenhängt, dass sie häufiger in Städten leben.
  • Die Ergebnisse des Integrationsbarometers bestätigen frühere Beobachtungen, dass muslimische Zuwanderer auf lokaler und regionaler Ebene hohe Identifikationswerte aufweisen, und stellen auch über die Gruppe der Muslime hinaus ein positives Integrationsklima im Bereich Nachbarschaft fest. Zuwanderer möchten sich aufgrund der höheren Qualität des Wohnens in ethnisch gemischten Vierteln nicht in ‚Parallelgesellschaften‘ zurückziehen. (-> Grafik)
  • Die wohnräumliche Segregation wird im internationalen Vergleich als eher niedrig eingestuft, die in Deutschland weitestgehend der sozialen Segregation entspricht. Diese hat im Gegensatz zu der wohnräumlichen in den letzten Jahren zugenommen.
  • In Quartieren mit hohem Zuwandereranteil ist vielmehr multiethnische Pluralität als monoethnische Strukturen zu beobachten. Durch die fehlende Überlegenheit einer Herkunftsgruppe bleiben meist auch Folgen wie Abschottung, Dominanz der Muttersprache etc. aus.
  • Ursachen der wohnräumlichen Segregation resultieren
    1. aus der Historie des Stadtteils (Gastarbeiterviertel)
    2. aus Entscheidungen der Mehrheitsbevölkerung (Wegzug aus „Ausländervierteln“) ohne jegliches Zutun der Zuwandererhaushalte
    3. aus dem Verhalten von Vermietern (z.B. Trennung der ethnischen Gruppen in unterschiedlichen Nachbarschaften) sowie
    4. aus Entscheidungen der Zuwanderer: Lokalspezifische Wohnungsmarktstrukturen und soziale Indikatoren spielen eine größere Rolle bei der Wohnstandortwahl von Migranten als kulturelle Gründe.
  • Segregation ist nicht gleichzusetzen mit dem Begriff Parallelgesellschaft. Wohnräumliche Segregation hemmt die Integration nur dann, wenn die Zuwanderer zu lange oder sich für immer von ihrem Umfeld abschotten. Gerade zu Beginn können ethnische Communities die Eingliederung erleichtern, auf Dauer gesehen verlangsamen sie den Prozess jedoch.
  • Multiethnische Siedlungsstrukturen müssen einer differenzierteren Untersuchung unterzogen werden; denn sie bergen im Vergleich zu monoethnisch segregierten Quartieren eine Vielzahl von Potenzialen. Dadurch ist die vieldiskutierte Verzögerung beim Spracherwerb wenig wahrscheinlich, da hier Deutsch als Alternativsprache mangels einer gemeinsamen Muttersprache benutzt wird.

Strategien für eine wohnungspolitische Integrationspolitik

Diese wohnungspolitischen Strategien sind immer als Teil einer ganzheitlichen Integrationspolitik zu sehen:

  • Es sollen Anreize zu Investition in Eigentum oder Miete in qualitativ hochwertigen Wohnraum durch Planungs- und Erwartungssicherheit befördert werden und dadurch wohnräumliche Provisorien überflüssig machen sowie ein Quartiersmanagement geschaffen werden, um starre ordnungspolitische Interventionen wie Quoten auf dem Wohnungsmarkt zu umgehen.
  • Außerdem müssen Kommunen selbst durch eigene Wohnungsbestände Einfluss auf den lokalen Wohnungsmarkt nehmen können. In diesem Zusammenhang sind zunehmende Privatisierungen als sehr kritisch zu sehen.
  • Vorsichtig ist mit Gentrifizierungsprozessen umzugehen, die behutsam erfolgen müssen und die lokale Bevölkerung nicht verdrängen dürfen.
  • Außerdem werden „migrationsneutrale“ Objekt- (Zuschüsse für Vermieter) und Subjektförderungen (Wohngeld) empfohlen.

Die hier dargestellten Ergebnisse beziehen sich auf die Studie „Einwanderungsgesellschaft 2010 – Jahresgutachten 2010 mit Integrationsbarometer“, die auf der Website des SVR als Download verfügbar ist.