Experten diskutierten die Lage von Migranten auf dem Wohnungsmarkt. Workshop-Dokumentation ist erschienen.
Unter dem Titel "Migranten auf dem Wohnungsmarkt. Sind Belegungsstrategien mit dem Grundsatz der Freizügigkeit zu vereinbaren?" ist soeben die Dokumentation eines Experten-Workshops vom 16. September 2005 erschienen. Zu diesem trafen sich Expertinnen und Experten, darunter einige selbst mit Migrationshintergrund, aus den Bereichen Wohnungswirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung sowie Migrantenselbstorganisation und Migrantenlobby und diskutierten die auf dem Wohnungsmarkt praktizierten Belegungsstrategien für Migranten.
Der diesjährige Workshop folgte einer ähnlichen Veranstaltung aus dem Jahr 2003, bei dem bereits das Thema "Migranten auf dem Wohnungsmarkt" erörtert wurde. Die vom Planerladen e.V. durchgeführte Veranstaltung und die nun erschienene Dokumentation wurden vom Integrationsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.
Diskriminierung verschlimmert die Lage von Migranten auf dem Wohnungsmarkt
Gerade bei der Wohnungs- oder Immobiliensuche, werden Migranten mitunter anders behandelt, als einheimische deutsche Miet- oder Kaufinteressenten. In der Regel erfolgt dies nicht als offene Diskriminierung, sondern eher in subtiler Weise und wird damit nur schwer nachweisbar. Seit Jahren ist bekannt, dass Migranten im Schnitt höhere Mietausgaben als einheimische Mieter haben. Dabei müssen sie zu kleine und qualitativ schlechtere Wohnungen in Kauf nehmen und sind häufig gezwungen, sich auf bestimmte Stadtquartiere bei der Wohnungssuche zu beschränken. Für die meisten Migranten bleiben – nicht festgemacht am sozialen Status sondern allein am Status Migrant oder Ausländer – bestimmte Teil-Wohnungsmärkte verschlossen. So haben Migranten meistens keine Probleme z.B. in der Dortmunder Nordstadt, dem traditionellen Einwandererquartier, eine Wohnung zu bekommen. Eine Wohnung im "feineren" Dortmunder Süden zu bekommen ist für sie aber häufig unmöglich. Zwar überlagern sich oftmals Diskriminierung und Probleme, die durch die in der Regel schlechtere Einkommenssituation von Migranten bedingt sind. Dennoch ist die Tatsache der Diskriminierung nicht von der Hand zu weisen.
Legitime soziale Stabilisierungsziele oder diskriminierende Auslese?
Konkret ging es während des Workshops etwa um die Frage, ob die Wohnungswirtschaft den Zuzug in bestimmte Häuser oder Siedlungen für Migranten einschränkt oder diesen gar verwehrt, und nach welchen Kriterien sie Migranten-Haushalten Wohnraum in ihren Beständen anbietet. Auch wurde gefragt, wie zwischen legitimen sozialen Stabilisierungszielen – sog. "gesunde Mischung der Mieter" – und einer diskriminierenden Auslese unterschieden werden kann?
Klare Kriterien sind nötig, um einer Diskriminierung vorzubeugen
Viele Vermieter versuchen z.B. mit einer sozial sensiblen Belegung die Bedürfnisse von Mietinteressenten mit Migrationshintergrund und deutschstämmiger Stammmieterschaft zu vereinbaren. Auf dem Workshop war dazu zu hören, dass es um einer Diskriminierung vorzubeugen klarer Kriterien für die Vergabe von Wohnraum bedarf, durch die ausgeschlossen werden kann, dass jemandem eine Wohnung aufgrund seiner Herkunft verwehrt wird. Insbesondere bedarf es der Schaffung einer entsprechenden Transparenz darüber, um dem Aufkommen entsprechender "Verschwörungstheorien" auf Seiten von Migranten entgegenzuwirken.
Antidiskriminierungsgesetz als Signal
Das geplante Antidiskriminierungsgesetz wird in diese Richtung ein wichtiges Signal darstellen. Es bietet zumindest ein gewisses Drohpotenzial gegenüber Diskriminierungspraktiken von Vermietern. Ohne dieses Instrument könnten die vielerorts anzutreffenden Ansätze einer "sozial sensiblen Belegung" auch ins Gegenteil verkehrt werden und zur "Ausrede" für diskriminierende Vermieter missbraucht werden. Damit kommen auch die wohlmeinenden Wohnungsunternehmen nicht umhin, die Realität der multiethnischen Gesellschaft explizit in ihre Unternehmensphilosophien und -leitbilder einzubauen. Übrigens sollten schon unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten Vermieter heute "Farbenblindheit" demonstrieren und "Migranten als Kunden" wahrnehmen.
Was ist zu tun?
Auf dem Workshop wurde diskutiert, dass die soziale Arbeit mit Migranten oder die Konfliktvermittlung stärker bei den Wohnungsgesellschaften Beachtung finden müsste. Hier finden sich bereits ein Reihe vorbildhafter Gesellschaften, die damit längst selbstverständlich arbeiten, sei es in eigener Regie oder in Kooperation z.B. mit karitativen oder freien Trägern.
Politik kann immer weniger steuern
Festgestellt wurde auch, das der Politik zunehmend die Steuerungsmöglichkeiten auf dem Wohnungsmarkt abhanden kommen. Immer mehr Belegungsrechte von Sozialwohnungen laufen aus, viele Wohnungsbestände, die ehemals zumindest mittelbar in der öffentlichen Hand waren, werden privatisiert. Hier ist zukünftig ein größeres Engagement der öffentlichen Hand wünschenswert, oder zumindest ein kreativerer Umgang mit den bestehenden Steuerungsmöglichkeiten. So sollte mehr auf freiwillige Vereinbarungen und Kooperationsverträge mit Wohnungsgesellschaften gesetzt werden und auf die Bereitschaft, sich im immer wichtiger werdenden Feld des Migranten-Wohnens in einen Lernprozess hineinzubegeben.
Dokumentation beim Planerladen e.V. erhältlich
Die 48-seitige Workshopdokumentation "Migranten auf dem Wohnungsmarkt. Sind Belegungsstrategien mit dem Grundsatz der Freizügigkeit zu vereinbaren?" ist beim Planerladen e.V. erhältlich.