Dortmund wird zur Stadt der Reichen - Forderungen zu den Housing Action Days 2023
Für die meisten Mieter*innen drohen mit der nächsten Nebenkostenabrechnung hohe Nachforderungen. Zusammen mit den gestiegenen Kaltmieten explodieren die Kosten für die eigene Wohnung. Für viele Haushalte sind die Kosten bereits jetzt nicht oder nur schwer zu stemmen.
In ganz Europa sind Menschen dazu aufgerufen, vom 25. März bis zum 2. April 2023 auf die Straße zu gehen, um im Rahmen der Housing Action Days für das Recht auf Wohnen, das Recht auf die Stadt und gegen die explodierenden Lebenshaltungskosten einzutreten. Auch in Deutschland haben sich in allen größeren Städten Initiativen als Aktionsbündnis gegen die Verdrängung und den Mietenwahnsinn zusammengetan.
Am 24. März von 14 bis 18 Uhr fand in der Münsterstraße vor der Kirche St.Joseph der Dortmunder Housing Action Day statt. Mieter*innen und Betroffene von Verdrängung oder Wohnungslosigkeit finden hier Hilfen und Infos zum Thema Wohnen, Mietrecht, Diskriminierung und zu den steigenden monatlichen Kosten.
Die beteiligten Organisationen stellten ihre Informations- und Hilfsangebote vor und waren direkt ansprechbar: Beratung und Vermittlung bei Diskriminierungserfahrung und Konfliktfällen im Wohnbereich (Planerladen gGmbH), Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V., Unterstützung von Geflüchteten (Train of Hope e.V.), Wohnraumvermittlung Home4you (Grünbau gGmbH), Energiesparservice Caritas, Hilfe bei Wohnungslosigkeit (bodo e.V.), Gewerkschaftliche Hilfsangebote (DGB NRW Dortmund-Hellweg), Sozialforum Dortmund und weitere.
Dortmund wird zur Stadt der Reichen - Forderungen zu den Housing Action Days 2023
Für die meisten Mieter*innen drohen mit der nächsten Nebenkostenabrechnung hohe Nachforderungen. Zusammen mit den gestiegenen Kaltmieten explodieren die Kosten für die eigene Wohnung. Für viele Haushalte sind die Kosten bereits jetzt nicht oder nur schwer zu stemmen. Einmalzahlungen und die von der Regierung beschlossenen „Bremsen“ für die Strom- und Gaspreise helfen da wenig. Zum Housing Action Day 2023 fordern die Dortmunder Initiativen das Recht auf Wohnen, das Recht auf Stadt und ein Ende der Ausbeutung durch überhöhte Lebenshaltungskosten. Dortmund soll nicht zur Stadt der Reichen werden.
Dabei sind alleine die hohen und steigenden Mieten seit Jahren auch in Dortmund ein Problem für Menschen mit geringem Einkommen. Mit dem neuen Mietspiegel drohen erneut Mieterhöhungen für viele Dortmunder Mieter*innen. Die Landesregierung kann durch Verordnung in angespannten Wohnungsmärkten die Mieterhöhungen auf 15 % in drei Jahren deckeln. In 2019 galt eine solche Regelung bereits in Dortmund. Seit der letzten Novellierung der betreffenden Verordnung fehlt Dortmund im entsprechenden Geltungsbereich.
Während der Mieterschutz bei bestehenden Mietverhältnissen Mieterhöhungen beschränkt, ist die Miete zu Vertragsbeginn nicht eingeschränkt. Aktuell finden sich auch in der Nordstadt Angebote für freifinanzierte Wohnungen mit Kaltmieten von 10 bis 14 ¤/m²; sie liegen damit deutlich über den Werten des Mietspiegels und der Angemessenheitsgrenzen der Stadt Dortmund.
Wer dringend eine Wohnung sucht, muss hohe Preise akzeptieren und an anderen Stellen kürzertreten. Wer knapp über dem Existenzminimum lebt, etwa von Bürgergeld oder Grundsicherung, hat aber keine Möglichkeit, irgendwo zu sparen!
Explodierende Energiepreise
Die Preise für Strom und Gas sind in den letzten Monaten dramatisch gestiegen. Den meisten Mieter*innen drohen Nachforderungen; einige haben die hohe Nebenkostenabrechnung schon erhalten. Menschen mit einem niedrigen Erwerbseinkommen haben immerhin die Möglichkeit, Wohngeld zu beantragen, welches vor kurzem erhöht wurde. Aber für all diejenigen, die schon vor der aktuellen Krise kaum über die Runden gekommen sind, wird das nicht reichen. Die Bedarfssätze nach SGB II (Bürgergeld/Hartz IV) bzw. SGB XII (Grundsicherung) wurden zwar ebenfalls gerade angehoben, aber erstens frisst die Inflation schon den Großteil des Aufstockungsbetrags auf und zweitens ist der Anteil für Haushaltsstrom im Regelsatz zu gering bemessen. Es ist dringend notwendig, besonders in der aktuellen Krisensituation, Strom getrennt zu betrachten, wie es auch bei den Heizkosten der Fall ist.
Empfänger*innen von Bürgergeld oder Grundsicherung bekommen zwar die Heizkosten erstattet. Allerdings sind die „Kosten der Unterkunft“ nach SGB II bzw. SGB XII ohnehin schon gedeckelt und hinken ständig hinter den real am Markt verlangten Mieten hinterher. Die zusätzlichen Kosten für Energie und Lebensmittel bringen viele derjenigen, die ganz oder teilweise von Grundsicherung/Bürgergeld leben (müssen), massiv in Bedrängnis. Durch diese Entwicklung droht weitere Verelendung und Wohnungslosigkeit. Bereits heute herrscht Hochkonjunktur bei den Tafeln, deren Kapazitäten erschöpft sind.
Versorgungssperren verbieten!
Durch die steigenden Energiepreise und steigenden Vorauszahlungen laufen bei vielen Verbrauchern Rückstände bei den Energieversorgern auf. In Folge dessen drohen zunehmend Sperrungen der Gas-, Wasser- und Stromversorgung. In prekären Mietverhältnissen trifft dies, gerade in der Nordstadt, auch immer häufiger Mieter*innen, die ihre Vorauszahlungen vertragsgemäß zahlen. Immer dann, wenn Vermieter*innen ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, droht dann den Mieter*innen eine kalte Wohnung oder Wassersperrung. Es leiden diejenigen, die den Rückstand nicht zu verantworten haben. Diese Regelung muss abgeschafft werden. Zumindest für den Zeitraum der Energiepreiskrise sollten Versorgungssperren zudem grundsätzlich untersagt werden.
Fehler der deutschen Wohnungspolitik
Gleichzeitig mit den explodierenden Nebenkosten sinkt seit Jahren das Angebot an öffentlich gefördertem Wohnraum, das sich seit 2005 nahezu halbiert hat. Aufgrund gravierender Fehler der deutschen Wohnungspolitik in den letzten Jahrzehnten ist hier auch kurzfristig keine Besserung in Sicht. Durch auslaufende Mietpreisbindungen und geringem Neubau von Sozialwohnungen, verschärft sich der Trend sogar. Doch Bauen alleine ist keine Lösung, da zumeist im hochpreisigen Segment gebaut wird. Dies ist auch in Dortmund der Fall: So lagen hier die Angebotsmieten 2021 für Neubauwohnungen bei 11,50 ¤, was nur für wenige finanziell tragbar ist. Zwar steigt in Dortmund die Zahl der Baugenehmigungen, doch bleibt trotzdem die Zahl an fertiggestellten Wohnungen weiterhin auf einem ähnlich niedrigen Niveau.
Zudem sind an den Rand gedrängte Gruppen besonders von Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt betroffen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz AGG soll Betroffene vor Diskriminierung schützen, ist jedoch momentan unzureichend. Eine Verbesserung des gesetzlichen Diskriminierungsschutzes ist dringend notwendig, um für Alle ähnliche Bedingungen bei der Wohnungssuche und so eine gerechte Verteilung des Wohnraums zu erreichen.
Keine Rendite mit der Miete!
Zehntausende Wohnungen in Dortmund sind Anlageobjekte börsennotierter Wohnungskonzerne wie Vonovia, LEG oder GrandCity, aber auch von kleineren Immobilien-Fonds und Finanzinvestoren. Eigentümer der Häuser sind dann zumeist immobilienhaltende Papierfirmen. Die tatsächlich wirtschaftlich verantwortlichen Eigentümer oder Geldgeber, sind insbesondere bei Fonds selten bekannt. Die Bewirtschaftung der Immobilien erfolgt regelmäßig nach der Logik des Finanzmarktes und nicht einer nachhaltigen, sozialen Stadtentwicklung.
Mit der aktuellen Zinswende ist zu befürchten, dass für Immobilienkonzerne weniger Geld für die Bestandsentwicklung vorhanden ist. In Zeiten der sprudelnden Gewinne wurden große Teile der Mieteinnahmen und vermeintlichen Wertsteigerungen als Dividenden und Zinsen an Anteilseigner*innen ausgezahlt. Geld, das nun fehlt. Die LEG hat daher jüngst verkündet in 2023 keine Dividende auszuschütten und Investitionen in die Bestände zurückzufahren. Wie Vonovia beendete auch die LEG ihre Neubauaktivitäten.
Der Korruptionsskandal bei Vonovia zeigt zudem wie intransparent die Geschäftspolitik ist. Die verschiedenen Tochterunternehmen schließen Verträge miteinander ab, um die Gebäude zu bewirtschaften. Die Kosten dafür werden auf die Mieter*innen beispielsweise über die Betriebskosten umgelegt. Vonovia weigert sich die tatsächlich entstandenen Kosten hierfür offenzulegen, sondern legt nur die hausinternen Rechnungen vor. Mieter*innen können damit nicht prüfen, ob die Kosten tatsächlich gerechtfertigt sind. So könnten auch durch das vermeintliche konzerninterne Netzwerk Zusatzkosten entstanden sein, die Mieter*innen in Rechnung gestellt werden. Vonovia muss daher endlich alle Kosten transparent offenlegen und möglicherweise zu viel berechnete Kostenpositionen an die Mieter*innen auszahlen.
Die Beispiele zeigen, es braucht eine deutliche Stärkung gemeinnütziger Vermieter, die an langfristigen Investitionen in die Bestände und weniger an Gewinnen interessiert sind.
Die Forderungen in Kürze
1. DAS RECHT AUF WOHNEN:
- Stärkung gemeinnütziger Vermieter, Genossenschaften und gemeinwohlorientierter Investoren und des öffentlichen Wohnungsbaus
- Erhöhung des öffentlichen und geschützten Wohnungsbestands und dauerhafte Belegungsbindungen für den sozialen Wohnungsbau zur Sicherung des bezahlbaren Wohnraums!
- Stärkere Regulierung der Neuvermietung. Mietpreisüberhöhung nach §5 Wirtschaftsstrafgesetz scharf stellen, Mietpreisbremse für Dortmund!
- Mieten senken – Gewinne umverteilen! Enteignung großer renditeorientierter Wohnungsunternehmen!
- Höchstmieten festsetzen! Verbot von Indexmieten!
- Umgehung gesetzlicher Vorschriften durch möblierte Vermietung verhindern!
2. DAS RECHT AUF STADT:
- Wohnungslosigkeit bis 2030 beenden
- Wohnungslose und Geflüchtete in Wohnungen unterbringen! Housing First!
- Beschlagnahmung leerstehender Gebäude, Leerstand beenden!
- Mehr Plätze in Frauenhäusern!
- Wohnraum, Kleingewerbe, Kulturszene und soziale Zentren sichern!
- Bodenspekulation beenden! Boden und Wohnraum dürfen keine Ware sein!
3. KEINE AUSBEUTUNG DURCH ÜBERHÖHTE LEBENSHALTUNGSKOSTEN:
- Kündigungen, Versorgungssperren und Zwangsräumungen verhindern!
- Unbürokratische Behandlung von Anträgen zur Übernahme von Heizkostennachforderungen durch Jobcenter bzw. Sozialamt
- Vollständige Übernahme der Stromkosten im Rahmen des Bürgergelds (bzw. Sozialhilfe)!
- Krisengewinne im Energiesektor mittels Übergewinnsteuer abschöpfen und transparente Darlegung der Steuereinnahmen!
- Öffentliche Kontrolle über alle wesentlichen Sektoren wie Energie, Wasser, Kommunikation und Verkehr!